Südwind


Zwar ist die Sonne wieder da und macht mich glücklich mit ihren Strahlen, doch auch der Wind ist wieder da, und er wird wieder Regen bringen, vielleicht schon morgen. Dieser blöde Südwind!! Wenigstens schlafen wir am Morgen jetzt ein bisschen länger, wenn Damaris nicht zur Schule geht. Soll heissen: bis sieben, acht, höchstens neun Uhr, was für unsere Verhältnisse immer noch sehr früh ist... Damaris fühlt sich in der Schule nicht so wohl. Laura und Aruni helfen ihr nicht, und wie's scheint, kümmern sich auch die Lehrer nicht um sie. Sie zeichnet nur. deshalb behalte ich sie manchmal daheim, wo sie dann mit mir oder Karin Spanisch büffeln muss. Manchmal verhält sie sich wie der sprichwörtliche Esel am Berg, und ich hoffe dass sie bald den Knopf auftut und meinen Rockzipfel verlässt, um am richtigen Leben teilzunehmen. Dafür entdeckt sie in grossem Stil die Wunder von Mutter Natur, studiert stundenlang die vielfältigen Ameisen, oder das Balz-Verhalten der exotischen Vögel. Im Nebenfach belegt sie zwangsweise Motomechanik....

Ausschlafen geht auch nur dann, wenn Yuri nicht schon um halb sieben laut trompetend sein Terreno begrüsst. Das mein ich wörtlich, er ist Musiker. Tompeter. Der Chorillo ist eigentlich wie ein Trichter geformt. Obwohl man seine Nachbarn nicht sieht, weil die Häuschen sich zwischen die Bäume ducken, kann man je nach Windrichtung jedes Wort verstehen. Das kann ganz schön peinlich werden..... oder eben lästig. 

Ich koche immer noch viel. Frühstücke ausgiebig, backe täglich Brot. Abends koche ich mit der Stirnlampe,(die Stirnlampe ist mir ebenfalls sehr ans Herz gewachsen, eine unentbehrliche Freundin) bolivianisches Raclette: frittierte Platano (Kochbanane) mit geschmolzenem Käse.... mmmmhhhh. Obwohl mein kleiner Gasherd eine Zumutung ist.... das Gas züngelt beängstigend in alle Richtungen. Ich verbrenne das benutzte Klopapier vor dem Haus, wenn es nicht windet. Wenn leicht regnet, spürt man wie das ganze Land aufatmet, alles wird still, die Vögel schweigen, die Tiere legen sich hin... ich liebe diese Stimmung. Wenn es nur immer so ein bisschen regnen würde, das wäre schön. Wir schütteln gewissenhaft jedesmal die Schuhe aus, bevor wir sie anziehen. Hier gibt es riesige Spinnen, haarige Raupen, rote Wespen und Baby-Skorpione...... sie alle suchen einen warmen, trockenen Platz wenn es regnet.... Hier gibt es Kröten, die brummen wie Motorsägen. Und Grillen, die schrillen wie Sirenen. Und Hunde, die konstant ficken während unsereiner in Ruhe essen will. Dafür kann ich im neuen Haus meistens dankend auf die Gesellschaft von Wurmi-Uarmi verzichten, weil sie im anderen Haus bleibt und da bellt und Essen klaut und Motos angreift und auf den Tisch steigt.... Das bedeuted eine unglaubliche Steigerung der Lebensqualität für mich.....

Nachdem Damaris zur Schule gegangen ist, klappert es plötzlich vor der Tür, und ein riesiger Kopf schiebt sich in die Küche. Ich fühle mich wie Pippi Langstrumpf. Hola Rayo! Die ganze Pferdefamilie kommt mich besuchen und stationiert sich für ein paar Tage in meinem Garten. Ich füttere sie mit Kompostware und sie beschnobern mich von oben bis unten mit ihren samtigen Nüstern. Ich schmuse lange mit ihnen, das ist gut für die Seele.

Carmen Luz 


Um nicht immer nur mit den Yuri's zusammensein zu müssen, verbringen wir viel Zeit bei Carmen Luz. Carmen ist Schweizerin, 68 Jahre alt und lebt seit ca 10 Jahren in einem kleinen Erdhäuschen im Chorillo, zusammen mit unzähligen Katzen und Hunden. Ja, sie entspricht tatsächlich dem Klischee einer verrückten alten Katzenlady, verlässt ihr Anwesen höchstens einmal pro Woche um Pollo für ihre Raubtiere zu kaufen, aber ihr Verstand ist scharf wie ein schweizer Messer und ihre Erinnerungen an ihr sehr bewegtes Leben sind ungetrübt. Ergo macht es grossen Spass bei ihr zu sitzen, Kaffee zu trinken, wann immer möglich ein Tütchen zu rauchen und den abgefahrenen Storys ihres Lebens zu lauschen. Das wird echt nie langweilig. Sogar Damaris liebt es, Carmensita zu besuchen, vielleicht weil die Katzen ganz kleine Babys haben..... nein, nicht nur. Als wir das erste Mal da waren, rief Damaris beim Verlassen des Hauses aus: " Wenn ich mal alt bin, will ich auch so sein wie Carmen Luz!" Und ich erinnere mich, das habe ich auch gedacht, als ich sie vor 3 Jahren kennenlernte. Uns verbindet eine gewisse Seelenverwandtschaft, die wir z.B. mit Kari nicht teilen können. Auch bei Damaris springt der Funke, ist Carmen Luz doch eine wunderbare Malerin, genau wie Damaris. Die beiden verstehen sich auf dieser Ebene sehr gut, und dann auch noch in schweizerdeutsch, was Damaris natürlich nur recht ist. So besuchen wir also das rüstige Grossmütterchen wann immer uns grad nix besseres in den Sinn kommt, und sie freut sich jedesmal und bewirtet uns mit Guetzli und Geschichten, immer unterbrochen von Geschrei das sich an ihre Katzenschar richtet: "Bussikat!! Nei, Bussikat!! Gang USSE! Uuuuh Damaris, ich säge dir das, sovil Bussikat sind ganz gemein zu mir wenns Hunger händ. Das isch nöd lustig. Wi di schreied!" Und wenn die "böse" Nachbarskatze auftaucht, gehts ab: "Bösi Bussikat!! Pfui! Ksscchttt!! Bösi Bussikat bösi bösi bösi....Aaarrrbakaduzzirkummtschhhuuukaaahh!!!" Oft singt sie für die Katzen, oder spricht zu ihnen in einer erfundenen, archaischen Zaubersprache. Herrlich. Gott segne Carmen Luz.

Fütterung der Raubtiere bei Dona Carmensita


Manchmal fahre ich in's Dorf hinunter, nur um bei meinem Moto, meiner geliebten Motilda, zu sein. Allerdings springt sie oft nicht an. Die Benzinanzeige ist auch kaputt. Aber das stört mich nicht, sie will doch nur meine ungeteilte Aufmerksamkeit... Wenn ich zu lange weg war und komme zurück zu ihr, ist sie oft beleidigt. Ich drücke den Anlasser, aber der stottert nur. Ich lasse das Moto den Hügel hinabrollen und drücke wie wild weiter auf den Kopf - nix passiert. Damaris muss uns anschieben, zum Glück ist die Maschine leicht genug. Der Anlasser krächzt heiser. Ich renne neben der Maschine her, zehn, zwanzig Meter - nichts. Na komm schon Baby, geh an. Was hast du denn. Ist dir kalt? Sie will nicht. Jetzt gibt die Batterie komplett den Geist auf, der Anlasser stöhnt nur noch. Ich raune ihr Liebesworte zu. Ich fummle am Chok-Hebel. Ich versuche, den Motor manuell anzulassen. Also, "manuell" ist das falsche Wort, man muss ja mit dem Fuss diesen Hebel treten zum kickstarten. Wie entwürdigend. Ausserdem klemmt das Scheissding. Ich schwitze. Dann alles noch mal von Vorne. Endlich!!! Gracias a Dios! Der Motor fängt an zu tuckern. Je nach Situation überkommt mich die Erleichterung wie eine warme, weiche Decke. Licht am Ende des Tunnels! Ich lasse den Motor warmlaufen. Gutes Mädchen! Ich drehe ein paar Mal am Gashebel, lasse den Motor aufheulen, um meine Geliebte auf Touren zu bringen. Das volltönende Knattern erfüllt mich von Kopf bis Fuss mit Genugtuung und Zufriedenheit. Wi eich dieses Geräusch liebe.... Todo arde....... mein Moto hat oft Mühe,  zu zünden. Aber es hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich liebe dich, Motilda, mein süsser Schatz. Mit Dir bis ans Ende der Welt. Naja, vielleicht nicht ganz.....

Der Heimweg führt an einem Bach entlang, in dem die Frösche nachts überirdisch schön singen. So etwas habe ich noch nie gehört. Ich halte an, lege mich auf den warmen Benzintank, lausche dem Gesang der Frösche und der Sterne.... wie gut es tut, vollkommen im Moment zu sein.

 

Fuffeli Feliz!

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